•     Einführung, Empfehlung und Hilfe zu Aktien und Fonds
Aktien Anlage

Schritt 2
Gewinnbasierte Bewertungen

Wenn Anleger auf der Suche nach einer Kennzahl sind, dann fällt ihnen zu diesem Thema in der Regel als Erstes das Kurs-Gewinn Verhältnis (KGV) ein. Den meisten von uns sind Meldungen wie "Die Aktien von Mittelmäßig, Langweilig & Partner notieren aktuell zu einem KGV von 14, womit sie angemessen bewertet sind," oder "Mit einem geschätzten KGV von 74 auf der Basis des im nächsten Jahr erwarteten Gewinns ist Netzhoffnung.com im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern niedrig bewertet", geläufig. Aber warum gilt Mittelmäßig, Langweilig & Partner als angemessen bewertet und Netzhoffnung.com als Schnäppchen, wenn doch, bezogen auf den reinen Zahlenwert, die jeweiligen KGVs das Gegenteil vermuten lassen? Das KGV ist eine eindimensionale Bewertungsgröße und muss in Bezug gesetzt werden zum erwarteten Gewinnwachstum, zur Branche, zur Wettbewerbssituation und zu anderen Bewertungsmaßstäben, auf die wir noch eingehen werden.

Das KGV wird folgendermaßen ermittelt:

Aktienkurs
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DVFA-Ergebnis pro Aktie

Der Gewinn pro Aktie wird folgendermaßen ermittelt:

DVFA-Ergebnis
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Anzahl der ausgegebenen Aktien

Wofür steht denn DVFA? DVFA steht für Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung. Dieser Verein hat gemeinsam mit der Schmalenbach Gesellschaft/Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft ein eigenes Verfahren zur Ermittlung des Unternehmensgewinns erarbeitet, um die Bewertungsspielräume bei der Gewinnermittlung zu reduzieren bzw. auf eine einheitliche Grundlage zu stellen. Da das DVFA-Ergebnis aus dem Jahresüberschuss errechnet wird, handelt es sich um ein Nettoergebnis (nach Abzug von Ertragssteuern).

Das KGV ist gut geeignet für einen Vergleich von Unternehmen gleicher Branche. Wenn man sich beispielsweise einen ersten Überblick verschaffen will, welche der drei großen Universalbanken in Deutschland am "teuersten" ist, bietet sich die Ermittlung des KGV an. Andererseits wissen wir aber auch, dass sich die KGVs von Unternehmen einer Branche in bestimmten Bandbreiten bewegen. Man kann daher die KGVs deutscher Banken sinnvollerweise mit denen ihrer niederländischen oder französischen Konkurrenten vergleichen, aber nicht einen deutschen Bankenwert mit einem deutschen Chemieunternehmen ausschließlich anhand des KGV bewerten, ebenso wenig wie man Äpfel mit Birnen vergleichen kann.

Ein Beispiel dazu:
Netzhoffnung.com ist ein Startup-Unternehmen, das psychologische Beratungsdienstleistungen für Menschen in Krisensituationen anbietet. Neben der klassischen Krisenberatung, die per Telefon unentgeltlich über eine 0800 Zugangsnummer erfolgt, werden Diskussionsforen mit Selbsthilfecharakter für Alkoholiker, Drogenabhängige und Netzsüchtige angeboten. Vor allem Letztere erfreuen sich regen Zuspruchs. Das vor zwei Jahren gegründete Unternehmen hat 550.000 registrierte Nutzer und im abgelaufenen Geschäftsjahr bereits einen Gewinn nach Steuern von 100.000 € erwirtschaftet. Beim Börsengang im Mai vergangenen Jahres machten die beiden Unternehmensgründer, ein zuvor arbeitsloser Theologe und eine Informatikerin, Kasse: 10.000.000 Aktien wurden erfolgreich an der Börse platziert (neu emittiert), der Streubesitz beträgt 100%.

Somit ergibt sich für das abgelaufene Geschäftsjahr ein Gewinn pro Aktie in Höhe von:

100.000 € 
------------------------- = 0.01 €  = 1 Cent
10.000.000

Zurzeit notieren Netzhoffnung.com bei 0,74 € = 74 Cent, woraus sich das KGV ergibt:

74 Cent
------------------------ = 74
1 Cent

Aber was bedeutet ein KGV von 74? Ist Netzhoffnung.com tatsächlich ein Schnäppchen oder hoffnungslos überbewertet? Wenn man ausschließlich das KGV betrachtet, kann man auf diese Frage keine zufrieden stellende Antwort geben. Wie loyal werden die registrierten Nutzer von Netzhoffnung.com sein, wenn das in Vorbereitung befindliche Konkurrenzangebot von GlaubeLiebeHoffnung.com in zwei Monaten online geht, das interaktive Videokonferenzen über Internet anzubieten verspricht? Wird es Netzhoffnung tatsächlich gelingen, die Anzahl der registrierten Nutzer in den nächsten 18 Monaten - wie angekündigt - zu vervierfachen? Sind die Angaben des Managements, das eine Verzehnfachung(!) des Umsatzes innerhalb der nächsten 24 Monate prognostiziert, plausibel? Und was heißt das für das Gewinnwachstum? Fragen über Fragen. Anleger benötigen wesentlich mehr Informationen als das KGV, um den Wert eines Unternehmens ermitteln zu können.

Schritt 1: Einführung
Schritt 2: Gewinnbasierte Bewertungen
Schritt 3: Das dynamische Kurs-Gewinn-Verhältnis
Schritt 4: Von Wachstum und Hoffnung - die kumulierte Wachstumsrate
Schritt 5: Von Verkaufserlösen und Unternehmenskäufen
Schritt 6: Weitere Beispiele zur Anwendung des Kurs-Umsatz-Verhältnisses
Schritt 7: Renditebasierte Bewertungen
Schritt 8: Eigenkapitalrendite
Schritt 9: Gesamtkapitalrendite
Schritt 10: Cashflow - Geld wächst nicht auf Bäumen

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