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Aktien Anlage

Schritt 10
Cashflow - Geld wächst nicht auf Bäumen

Zum Schluss unserer 10-teiligen Artikelserie wollen wir uns mit einem verdammt einfachen Werkzeug beschäftigen. Wir betrachten einen Betrag in absoluten Zahlen: den Cashflow. Und um dieses Thema etwas tiefergehender zu behandeln, wird uns EBITDA ebenfalls interessieren. Da es in der deutschen Sprache keine eindeutigen Übersetzungen für diese Kennzahlen gibt, bleiben wir bei diesen englischen Begriffen, die sich auch hierzulande durchgesetzt hat.

Der Cashflow gibt als Absolutwert an, welcher Liquiditätsüberschuss nach Steuern aus der laufenden Geschäftstätigkeit in einem bestimmten Zeitraum (drei Monate, ein Jahr) entstanden ist. Mit anderen Worten, der Cashflow beschreibt präzis die Fähigkeit eines Unternehmens, Liquidität zu schaffen. In diesem Zusammenhang hat sich ein weiterer englischer Begriff bei uns eingebürgert, nämlich EBITDA. Letzteres gibt an, wie sich der Cashflow ermittelt: earnings before interest, taxes, depreciation and amortization, zu deutsch: Überschuss vor Zinsen, Steuern, Abzinsung und Abschreibung des materiellen und immateriellen Anlagevermögens.

Wir mögen den Cashflow deshalb besonders, weil er - im Gegensatz zum Bilanzgewinn - nicht durch allerlei buchhalterische Finessen manipuliert werden kann. Wir betrachten das Unternehmen gewissermaßen aus der Perspektive der eigenen Hausbank. Die sieht es nämlich auch lieber, wenn unterm Strich was übrigbleibt. Üblicherweise wird der Cashflow indirekt ermittelt. Man geht dabei vom Jahresüberschuss aus und erhöht diesen um alle Abzüge, die kein Bargeld gekostet haben. Auf der anderen Seite vermindert man den Jahresüberschuss um alles, was Bargeld gekostet hat, aber keinen "Verlust" bedeutet. Ein Beispiel dazu:

Tante Friedas Gemischtwarenladen AG

Tante Frieda hat sich von ihrem Bekannten Gerhard 2000 € organisiert. Damit will sie einen Gemischtwarenladen eröffnen. Am Tag 1 sieht die Bilanz so aus:

Aktiva (A)
Kassa                                   2000 €

Passiva
Eigenkapital (E) = gezeichnetes Kapital 2000 €
Verbindlichkeiten (V)                      0 €

Die Bilanz ist ausgeglichen, weil gilt:

Aktiva (A) = Verbindlichkeiten (V) + Eigenkapital (E).
Oder andersrum: V = A - E bzw. E = A - V

Tante Friedas Laden läuft ganz gut, und am Ende des ersten Geschäftsjahres sieht die Gewinn- und Verlustrechung wie folgt aus:

Umsatzerlöse                   1000 €
Aufwand                (800 €)
Gewinn vor Steuern              200 €
Steuern                 (50 €)
Jahresüberschuss                150 €

Mit den investierten 2000 € hat Tante Frieda 150 € Gewinn erwirtschaftet. Nicht überragend, aber immerhin, entspricht dies doch einer Eigenkapitalrendite von 7,5%. Tante Frieda ist ja nach wie vor dabei das Geschäft aufzubauen und demnächst wird auch die Wohnhausanlage in der unmittelbaren Nachbarschaft fertiggestellt. Neue Kunden, mehr Umsatz, rundum rosige Aussichten denkt Tante Frieda.

Nun ja, um dies tatsächlich beurteilen zu können, lohnt sich ein Blick in die Bilanz zum Ende des ersten Geschäftsjahres:

Aktiva
Geschäftsausstattung                             300 €
Vorräte                                         1800 €
Barmittelbestand                                 100 €
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen       200 €

Summe Aktiva                                    2400 €

Verbindlichkeiten
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 150 €
ausgenutzter Überziehungsrahmen                  100 €

Aktiva - Verbindlichkeiten:                     2150 €

Eigenkapital
gezeichnetes Kapital                            2000 €
einbehaltener Gewinn                             150 €
Summe Eigenkapital                              2150 €

Und wie wir sehen, die Gleichung ist ausgeglichen, denn es gilt:
A = V + E, in Zahlen: 2400 = 250 +2150

So weit, so gut. Was fällt uns bei Betrachtung dieser Bilanz auf? Die Gleichung ist nur deshalb ausgeglichen, weil Tante Frieda den Überziehungsrahmen ihres Kontos genutzt hat und 100 € in die Kassa gelegt hat! Mit anderen Worten, Tante Frieda hat innerhalb des ersten Geschäftsjahres nicht nur die 2000 € zur Gänze verbraucht, sondern auch noch Schulden in Höhe von 100 € gemacht. Dies erkennen wir aber nur, wenn wir den Cashflow betrachten. Denn nur die Cashflow Rechnung zeigt alle Barmittelzu- und -abflüsse, berücksichtigt also auch die Finanzierungs- und Investititonstätigkeit und somit die gesamte Veränderung des Barmittelbestandes von Tante Frieda.

Deshalb schauen wir uns die Cashflow-Rechnung an, um festzustellen, was passiert ist. Vielleicht lernen wir dabei ja auch was.

1. gewöhnliche Geschäftstätigkeit

Jahresüberschuss                                       150
Abschreibung von Anlagevermögen                        100
Zunahme Forderungen                             (200)
Zunahme Vorräte                                (1800)
Zunahme Verbindlichkeiten                              150
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Cashflow aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit:  (1600)
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2. Finanzierungstätigkeit

Zunahme Finanzverbindlichkeiten                        100
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Cashflow aus Finanzierungstätigkeit:                   100
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3. Investitionen

Anschaffung von Anlagen                        (400)
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Cashflow aus Investitionstätigkeit:            (400)
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Veränderung des Barmittelbestandes (1+2+3):   (1900)
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Die Cashflow-Rechnung zeigt uns, wie Tante Frieda die 2000 € ausgegeben hat. Nur durch die Zunahme der Verbindlichkeiten hat Tante Frieda kurzfristig die Liquidität gesichert. Indem Tante Frieda einigen ihrer besten Kunden Vorzugskonditionen gewährt, nämlich 30 Tage Zahlungsziel, gibt sie diesen einen zinslosen Kredit. Diese Kunden sind ihre Schuldner, und Tante Friedas Kassa bleibt leer. Tante Frieda kann es sich nicht leisten, einen zinslosen Kredit zu vergeben, da sie auf der anderen Seite Sollzinsen für ihren ausgenutzten Überziehungsrahmen zahlt.

Aber auch die Zunahme der Vorräte stimmt uns bedenklich. Es widerspricht einer effizienten Nutzung des verfügbaren Kapitals, 1800 € in Vorräten gebunden zu haben. Wir haben deshalb besonders gern Unternehmen, die so wenig Kapital als möglich in Vorräten gebunden haben. Ersteres hat nämlich unangenehme Nebenwirkungen: Sie können aus der Mode kommen oder verderben, was in der Regel zur Folge hat, dass wir sie unter dem Einstandspreis verkaufen oder gar wegwerfen müssen. Obendrein, wie unser Beispiel zeigt, binden Vorräte Liquidität und das Kapital steht nicht anderweitig zur Verfügung.

Auf der anderen Seite hat Tante Frieda einige Vorräte auf Zahlungsziel eingekauft. Das ist eine gute Sache, denn praktisch verhält es sich ja so, dass Friedas Gläubiger ihr Geschäft vor-finanzieren.

Schließlich hat Tante Frieda die unter "Anschaffung von Anlagen" aufgeführten 400 € dazu verwendet, ihren Laden einzurichten. In der Bilanz wird dieser Vorgang als Investitionsaufwand abgebildet. Allerdings wirst Du feststellen, dass die Geschäftsausstattung in unserer Bilanz lediglich mit 300 € zu Buche schlägt. Das kommt daher, dass die restlichen 100 € als Abschreibungsaufwand verbucht werden. Wie Du in der Cashflow-Rechnung allerdings siehst, handelt es sich beim Abschreibungsaufwand um eine nicht zahlungswirksame Buchung, eine Buchung also, bei der keine Mittelflüsse stattfinden. Tante Frieda wird gewissermaßen nur auf dem Papier "ärmer". Deshalb finden sich in der Cashflow-Rechnung auf der rechten Seite die 100 € als "Gewinn" wieder, denn die Cashflow-Rechnung will ja nur tatsächliche Mittelflüsse abbilden.

So, jetzt sind wir beim Cashflow aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit angelangt. Hier haben wir es noch einmal schwarz auf weiß: Tante Frieda hat die gesamten 2000 € ausgegeben. Sie hat einen positiven Cashflow in Höhe von 100 € lediglich dadurch geschaffen, dass sie Finanzschulden in der Höhe von 100 € gemacht hat. Tatsächlich hingegen ist es allerdings so, dass nur ein positiver Cashflow Unternehmen durch Zunahme des Jahresüberschusses Wachstum aus eigener Kraft ermöglicht.

Und was lernen wir daraus? Ist Tante Frieda jetzt pleite? Das hängt davon ab, wie lange Tante Frieda ihre Hausbank überzeugen kann, dass sie nicht chronisch mehr ausgibt als einnimmt. Es sieht auf jeden Fall nicht gut aus mit Tante Friedas Gemischtwarenladen. Während sie so dahinwurstelt, kann sie sich nicht auf das Wesentliche konzentrieren, und vielleicht ist ihr Laden sogar pleite, bevor die Leute in die demnächst bezugsfertige Wohnhausanlage einziehen.

Unternehmen gehen und vergehen. Liquidität gleicht dem Blut, das durch ihre Adern fließt. Ist ein Unternehmen nicht in der Lage, Liquidität zu schaffen, also einen positiven Cashflow zu erwirtschaften, geht ihm gewissermaßen sprichwörtlich die Luft aus.

Bevor der Ton allzu nachdenklich wird, wollen wir noch zeigen, was wir sonst noch Schlaues mit dem Cashflow anstellen können.

Dabei denken wir in erster Linie an das Kurs/Cashflow Verhältnis. Dieses berechnen wir wie folgt:

Aktienkurs
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Cashflow je Aktie

Den Cashflow je Aktie ermitteln wir, indem wir den Jahres-Cashflow eines Unternehmens durch die Anzahl der ausgegebenen Aktien dividieren. Je höher das Kurs/Cashflow Verhältnis ist, desto teurer ist eine Aktie. Wir ermitteln das Kurs/Cashflow Verhältnis gerne in Ergänzung zum KGV. So sehen wir beispielsweise, wie viel Cash pro Aktie verschiedene Unternehmen, deren KGV etwa gleich ist, zu schaffen in der Lage sind. Allerdings ziehen wir hierzu den freien Cashflow heran, also abzüglich aufgenommener Schulden, denn eine Aktie ist ja nicht deshalb billiger, weil das Unternehmen Schulden gemacht hat. Wer sich dazu im Detail informieren möchte, sei an dieser Stelle auf die entsprechenden Publikationen der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Assetmanagement verwiesen.

Auch im Zuge von (feindlichen) Übernahmen spielen Cashflow Berechnungen häufig eine entscheidende Rolle, denn schließlich soll die Kuh, die gekauft werden soll, in der Regel ja reichlich Milch geben. Nicht zuletzt gefällt uns der Cashflow deshalb gut, weil wir gelernt haben, dass jene Werkzeuge, die Unternehmer verwenden, um andere Unternehmen zu bewerten, meistens auch für uns recht brauchbar sind. Schließlich verstehen wir uns ja auch als Unternehmer, auch wenn wir in der Regel nur Kuchenkrümel davon besitzen.


Schritt 1: Einführung
Schritt 2: Gewinnbasierte Bewertungen
Schritt 3: Das dynamische Kurs-Gewinn-Verhältnis
Schritt 4: Von Wachstum und Hoffnung - die kumulierte Wachstumsrate
Schritt 5: Von Verkaufserlösen und Unternehmenskäufen
Schritt 6: Weitere Beispiele zur Anwendung des Kurs-Umsatz-Verhältnisses
Schritt 7: Renditebasierte Bewertungen
Schritt 8: Eigenkapitalrendite
Schritt 9: Gesamtkapitalrendite
Schritt 10: Cashflow - Geld wächst nicht auf Bäumen
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